„Weibsbilder…“

Mai 1, 2017 - 3 minutes read

1946, d.h. kurz nach dem 2. Weltkrieg, geboren, gab es in meinem Umfeld nicht wirklich aufregende Frauen-Vorbilder.

Mit 44 Jahren fing ich an, Tango zu tanzen und wurde mit „der Frau im Tango“ konfrontiert. Zuerst natürlich mit dem Frauenbild, das mir mein Tanzpartner zudachte – und hinter das ich einige Fragezeichen setzen, erst leise, dann lauter. Dann übermittelten die Frauen in Lehrerpaaren nicht nur Technik, sondern auch ihr individuelles Frausein. Mein Selbstbild als Frau war Resultat vieler Erfahrungen und ich wusste vor allem wie ich nicht (mehr) sein wollte! Ich hatte dabei die Vorstellung, die aktuelle Version meines „Frau-Sein“ sei die reifste. Wertekonflikte waren nicht zu vermeiden.

Ein frühes Bild im Tango bot mir eine junge wunderschöne Brasilianerin, anschmiegsam und höchst verführerisch! Ich hatte mich längst „definitiv“ von Highheels und ähnlichem distanziert und wollte mich nicht als sexy Objekt präsentieren.
Dann kam ein argentinischer Lehrer, im Schlepptau eine noch jüngere Frau, blond und anpassungsfähig und willig, seinem Führungsstil „Drücken hier und Ziehen dort“ – er nannte das „telefonieren“ – Folge zu leisten. Ich war sehr entrüstet und irgendwie auch fremd-beschämt!
Dann hörte ich in einem Film-Interview den grossen Tänzer Juan Copes sagen, dass sich die Frau „unterwirft“….. seine Partnerin Maria Nieves unterbrach ihn sofort und mit Nachdruck: „Falsch! Beide unterwerfen sich der Musik!“. Copes hielt inne, schaute zu Boden, und sagte dann: „ correcto…!“ Und so sah auch ihr Tanz aus: aufregend sinnlich UND ein Geschehen zwischen Mann und Frau auf Augenhöhe!

Im Lauf der Jahre begegnete ich vielen wundervolle Paaren. Ich sah Frauen, Argentinierinnen und andere, die einfach „sie selber“ waren, selbstbewusst und weiblich, stark und weich….. in ihrem Tun offensichtlich nicht in erster Linie bemüht, es dem Partner recht zu machen, sondern sich zu zeigen, ihre Persönlichkeit auszudrücken, den Tanz mit zu gestalten und ihr Wissen weiterzugeben. Und Männer, die sich dadurch nicht abgewertet fühlten.
Im Spiegel all dieser Frauen wurde mir bewusst, dass auch ich immer wieder auf der Schiene „des Gefallenwollens“ fuhr, mein Tun und Lassen „auf den Mann“ abstimmte, – mehr als für ein gutes Miteinander angemessen ist.

Heute haben alle „Weibsbilder“ in mir unzensuriert ihren Platz. Keine ist weniger Wert oder „überholt“. Ich erlaube mir (und ihnen auch) dem Tango Farbe zu geben. Und freue mich bis in die Zehenspitzen, wenn ein Partner oder eine Partnerin darauf mit Spielfreude ­antwortet.
Und wie ist das bei Euch, liebe Tangotänzerinnen? Mit welchen Selbst-Bildern seid Ihr unterwegs? Und welche Antworten bekommt ihr? Von welchen träumt Ihr allenfalls (noch)?