Was die Zeit überdauert…

Januar 2, 2017 - 2 minutes read

… und bis heute trägt:

Das ist die Geschichte meiner ersten Begegnung mit Pepito Avellaneda, einem der frühen Gastlehrer aus Buenos Aires. Ein „kleiner“ Mann, mit rundem Bauch, verschmitztem Lachen und wachen Augen. Er konnte keine Fremdsprache, – sein Unterricht lief so:

Die Frauen stellten sich in eine Reihe, die Männer ebenso – auf die andere Seite. Dann bedeutete Pepito den Männern – mit 2 Fingern auf die eigenen Augen zeigend – sie sollten gut zuschauen, und er holte sich mit einer kleinen Verbeugung die erste Frau. Wir andern schauten gespannt zu. Der kleine Mann begann eine in meinen Augen komplexe Abfolge von Schritten zu tanzen und brachte die Frau dann mit einem feinen Lächeln an ihren Platz zurück. Ich erschrak – so etwas Schwieriges hatte ich noch nie getanzt…. und diskret verdrückte ich mich ans Ende der Warteschlange. So hätte ich immerhin noch etwas Zeit, mir die Figuren zu merken. 
Pepito tanzte die (mehr oder weniger;-) gleiche kleine Choreographie der Reihe nach mit jeder Frau.

Schliesslich kam die Reihe an mich. Ich war ziemlich neben den Schuhen… überzeugt, zu versagen und mich lächerlich zu machen. Pepito strahlte mich an, nahm mich in die Umarmung der Tanzhaltung, hielt inne und wartete. Dann spürte ich seine weiche und kraftvolle Hand auf meinem Rücken, die ganz sacht und hin- und herstrich. Eine grosse Ruhe erfüllte mich, und er begann mich zu führen. Ich konnte tanzen!

Damals habe ich im Tango zum ersten mal am eigenen Leib erfahren was es bedeutet, „respektvoll erfasst“ zu werden. Ich habe mich aufgehoben gefühlt und konnte vertrauen. Genau so wollte ich lernen, in Kontakt zu gehen und zu führen!